Gesetzentwurf zur Anpassung des Zinssatzes bei der Vollverzinsung vorgelegt
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im vergangenen Jahr entschieden, dass der Zinssatz von 6 % pro Jahr, mit dem Steuernachzahlungen und -erstattungen verzinst werden, ab 2014 gegen die Verfassung verstößt und den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31.7.2022 für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 eine Neuregelung zu schaffen. Das Bundesfinanzministerium hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Bisheriger Zinssatz von 6 % p.a. seit 2014 verfassungswidrig
Das BVerfG hat mit seinem am 18. August 2021 veröffentlichten Beschluss entschieden, dass der bisherige Zinssatz von 0,5 % je vollem Zinsmonat – also 6 % pro Jahr – für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen seit 2014 zu hoch ist und gegen die Verfassung verstößt. Allerdings hat es angeordnet, dass der Zinssatz für Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 weiterhin angewandt werden darf. Für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 muss der Gesetzgeber für alle offenen Fälle eine rückwirkende verfassungsgemäße Neuregelung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen treffen. Das Bundesfinanzministerium hat nun einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt.
Zinssatz soll auf 1,8 % p.a. abgesenkt werden
Der für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen maßgebende Zinssatz soll für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 von 0,5 % pro Monat auf 0,15 % pro Monat abgesenkt werden. Das entspricht einem Zinssatz von 1,8 % pro Jahr. Diese Änderung bezieht sich ausdrücklich nur auf Nachzahlungs- Erstattungszinsen. Für andere Verzinsungstatbestände wie etwa Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen bleibt der Zinssatz unverändert bei 6 %.
Anpassung künftig alle drei Jahre möglich
Um künftig auf nachhaltige Veränderungen des Zinsumfelds reagieren zu können, sieht der Gesetzentwurf – anders als bislang – eine Anpassungsklausel vor. Hiernach soll der Zinssatz unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) künftig alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden. Eine Anpassung des Zinssatzes soll indes nur erfolgen, wenn der zum 1.1. des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1a Abgabenordnung (AO) geltenden Basiszinssatz abweicht.
Bisherige Erlassregelung wird Gesetz
Wer freiwillige Vorauszahlungen auf seine Steuerlast leistet – z.B. auf eine im Rahmen einer Betriebsprüfung oder Selbstanzeige erwartete Nachzahlung – musste bislang einen Erlass der zu hoch festgesetzten Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen beantragen. Diese umständliche Praxis soll nach dem Gesetzentwurf der Vergangenheit angehören, denn fortan sollen Zinsen gar nicht erst entstehen soweit der Steuerpflichtige eine freiwillige Leistung erbringt und die Finanzverwaltung diese angenommen und später angerechnet hat.
Lediglich punktuelle Anpassung an das Verfassungsrecht
Der vom Bundesfinanzministerium vorgelegte Gesetzentwurf setzt die vom BVerfG geforderte verfassungsgemäße Verzinsung für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen passgenau um. Die Chance, die Verzinsung im Steuerrecht damit insgesamt zu reformieren und an das veränderte Zinsumfeld anzupassen, wird nicht ergriffen. Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken bleiben neben den übrigen Verzinsungstatbeständen der Abgabenordnung auch der bewertungsrechtliche Zinssatz von 5,5 %, die Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten mit 5,5 % sowie der Rechnungszinsfuß bei der steuerrechtlichen Bewertung von Pensionsrückstellung mit 6 % unverändert. Für die Steuerpflichtigen bleibt damit – wie so oft – nur die Hoffnung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.